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Guten Tag !

 

Verzeichnis der Texte zu den Bildern

Dr. Petra Rapp-Neumann

Bonn, im August 2000

 

Zur Eröffnung der Ausstellung

"Wasser und Landschaft"

von FRANK HAHN

im Rathaus Neunkirchen-Seelscheid

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Der Sommer, der so recht keiner war, neigt sich allmählich dem Ende zu, und wir können nur hoffen, dass wir gleich den letzten Früchten in Rilkes Herbsttag-Versen noch einige "südlichere Tage" erleben werden...

Dieser heutige Sonntag, den wir in liebgewordener Tradition der "Kunst im Rathaus" widmen, jedenfalls versprach ein solcher zu sein, ein südlicher Tag. Im intensiven Spiel der Farben, denen wir in den Bildern von Frank Hahn begegnen, ist er es ganz gewiß. Denn Frank Hahns Arbeiten sind Landschaftsimpressionen, sind klangvolle Kompositionen von hohem ästhetischen Reiz und einem spezifischen Flair, das sie unverwechselbar werden läßt.

Dem Künstler geht es nicht darum, Landschaft als Spiegel der Seele darzustellen - Hahn ist frei von symbolistischer Überfrachtung.

Noch weit weniger geht es ihm um Abbild der Realität oder topografische Präzision.

Er macht seine Motive nicht dingfest, nicht identifizierbar, oder doch nur selten: Motiv als Möglichkeit, nicht als Notwendigkeit. Es ist nicht von Bedeutung, den einen oder anderen Landstrich gleichsam wiedererkennen, "orten" zu können, getreu dem Motto all derer, die da gern und viel reisen:

"Da war ich auch schon mal, genauso sieht es da aus".

Bei dem einen oder anderen Bild, etwa bei den Impressionen der Insel Rügen, mag sich dieser Effekt einstellen. Gleichwohl ist er nebensächlich.

Und natürlich geht es diesem Maler nicht um postkartenbunte Idylle, nicht um Fassade, nicht um den schönen Schein:

Das Wasser ist grün, der Himmel blau, die Sonne gelb, und alle sind fröhlich.

Mitnichten. Frank Hahn zelebriert nicht das malerische Ereignis als solches. Es sind nicht nur die rein ästhetischen Spektakel von Licht, Meer, Steilfelsen und Wolkenspiel, die ihn inspirieren, es ist nicht romantisches Pathos oder dramatisches Erleben.

Der Maler besetzt nicht unsere Vorstellungskraft, er fordert sie heraus.

Bei wechselnden Motiven, von den Siegauen bis zur Ostseebucht, von Kanada bis Hiddensee, auf differenzierten Bildträgern, mit unterschiedlichen Techniken vermag er mit seinen Bildern Empfindungen von Ferne, Unberührtheit, Einsamkeit, ja Beschaulichkeit zu wecken, hinter dem Sichtbaren stets auch eine Ahnung des Unsichtbaren, das Wehen des Windes, die druckende Schwüle vor einem Gewitter, einen Hauch von Werden und Vergänglichkeit aufscheinen zu lassen.

Frank Hahn ist kein Reisender wie alle anderen, keiner, der Natur und Landschaft auf die übliche Weise erfährt oder gar durcheilt. Seine Ausbeute sind Souvenirs der besonderen Art:

Atmosphäre, Duft, Flair, Farbe, Klangfarben, Farbkörper.

Nur die Skizzen entstehen vor der Natur. Zwischen dem Augenblick unmittelbaren Erlebens und dem späteren Entstehen des Bildes im Atelier, wobei dessen Endfassung mit der ursprünglichen Zeichnung häufig nicht überein stimmt, liegen nicht selten zwei Jahre. Was unwesentlich war, ist längst dem Filter der Erinnerung zum Opfer gefallen, Details sind nicht länger wichtig.

Geblieben sind und ins Bild umgesetzt werden Stimmungen, wird mit sensibel nuancierten Farbakkorden das Wesen, der Charakter eines Stücks Natur, eines Fleckchens Erde deutlich.

Und dieses Wesen scheint, sofern man Gemaltes überhaupt in Worte zu übersetzen vermag, Begriffe wie Hingabe, Zärtlichkeit, Stille und Fruchtbarkeit einzubeziehen.

Ruhepunkte und Bewegungsabläufe, Wasser, Luft, Licht, Gezeiten und Elemente, atmosphärische Dichte und sensibilisierende Schönheit - Auge und Phantasie des Betrachters bietet diese Ausstellung reiche Fülle.

Eine spezifische Membran von Zeitlosigkeit, den Hauch des Flüchtigen überwindend, transportiert die kurze Dauer des Augenblicks in verinnerlichte Plejaden von Blau und Violett, glutvollem Orange, dunklem Türkis oder in sanfte Dünungen von Grau, das man in derart vielfältigen Schattierungen nur selten erlebt.

 

Die Essenz des Gesehenen und vor der Natur Gefühlten konzentriert sich in weiten, raumgreifenden Farbflächen, die schließlich Bildtitel marginal werden lassen:

Mit "Gelb, Schwarzgrau und Grün" oder "Orange, Blau und Violett" ist alles gesagt, das tiefe Verständnis des Künstlers für Natur, für Landschaft und deren jeweils spezifischen Tenor adäquat formuliert.

Denn bei aller Liebe zur Farbe geht es Frank Hahn doch nicht um reine Farbspiele. Wesentlich bleibt, dass Farbe sich an Landschaft, an Natur, an Wasser manifestiert.

Der Betrachter, spürt die Lust am Tun, die tragfähige Strickleiter zur Natur, die Frank Hahn eigen ist und die er in seinem Schaffen nie verläßt.

So komponiert er klangvolle, ab und an gedämpfte, intensive, nie jedoch schrille oder bunte Akkorde in den Farben der Natur.

 

Hahn erschöpft sich nicht darin, Komplementärfarben scharf kontrastierend einander antithetisch gegenüber zu stellen. Grün wird nicht mit Rot, sondern mit Violett und Orange als verwandten Komplementärfarben komponiert, Gelb steht neben Blau und Grün, es finden sich Schwarzgrün und Graugelb, Gelbgrün, Dunkelgrün, Blaugrau und Blaugrün, späte Farben und die Gewitterfarben Violett und Gelb, und viele mehr. Der Künstler ist nicht bemüht, sich von realistischen Lokalfarben um jeden Preis zu trennen.

Sein Hauptaugenmerk liegt auf der Farbperspektive, die neben Landschaftselementen in Vorder- und Hintergrund Tiefe entstehen läßt.

Dazu trägt auch Hahns besondere Behandlung der weiten, grafisch nur gering strukturierten Flächen bei. Jede Farbe soll innerhalb einer Fläche zur Geltung kommen. Es gibt keine uninspirierten Flächen. Die sinnliche Präsenz der Bilder ist stark und überzeugend, im kleinen wie im größeren Format. Der Grundton bestimmt das Flächenklima, lotet Atmosphäre behutsam aus. Daher gibt es kaum fließende Übergänge, sondern durchaus strenge Konturierungen. Farbvaleurs entfalten und befreien sich in ihrer vollen, ungeminderten Wirkung.

Die dadurch entstehende, plakative Wirkung der Farb-Kraftfelder wird jedoch effektvoll gemindert durch sorgfältigst gearbeitete, weiche Flächenbegrenzungen, die unscharf bleiben und zu jener spezifisch Hahnschen, diffus schwebenden und ein wenig unwirklich erscheinenden Bildatmosphäre, die ich erwähnte, beitragen:

Gelöste Ruhe, sanfte Harmonie, malerische Poesie, die uns die Welt neu zeigt, uns lehrt, sie mit weniger oberflächlichem Blick zu sehen, über das rein Visuelle hinaus Weite und Tiefe zu ahnen.

 

Bilder wie diese visieren Themen jenseits der Kategorie des Greifbaren an:

Raum, Zeit, Vergänglichkeit, Bedürfnis nach einer Freiheit, die nicht zu Schaden kommen läßt, den Menschen nicht und nicht die Natur.

Diese weiten Horizonte sind grandios und lassen die in sanfte Hügel geduckt gebetteten Häuser noch winziger erscheinen:

Diesem Maler geht es ganz sicher nicht vorrangig um Hervorbringungen des Menschen. Zwar gliedern sie Landschaft in Felder und Wiesen, machen sie urbar, zerstören sie aber mit nimmermüder Ausdauer. Hahns Industrielandschaft zeugt beileibe nicht von technischen Errungenschaften, sondern giftet in wütendem Gelbgrün.

Nein - im Hahnschen Garten Eden, in seinen Oasen kann man noch Abende in Altrosa und dunklem Türkis erleben, da biegen sich die Flüsse noch und sind nicht bis zur Unkenntlichkeit begradigt, da liegen Wiesen noch im Sonnenlicht und weiße Wolken im Wasser.

A propos Wasser: Es verwundert nicht, dass gerade diesem Maler die vielfältigen und unablässig mäandernden Erscheinungen des Wassers imponieren und er sie in Bildern festzuhalten trachtet - in subtilsten Graunuancen etwa, in deren Dämmerschatten Baum und Borke der Siegauen zu verschwinden drohen.

Veränderung, Wandlung durch Steigen oder Fallen, Farbe als Gestaltungselement des Bildes wie gleichnishaft des Lebens, lockere Heiterkeit und herbe Melancholie - alles findet Raum im Oeuvre dieses Malers, der sich weder der ersten Ekstase des Sehens, noch sentimentaler Erinnerung hingibt, sich nicht ans Detail, nicht an die Figuration und nicht an die Abstraktion verliert, sondern eine eigene, souveräne Formensprache, die eigentlich eine Sprache der Farbe, der Farbkonzentrationen und -verdichtungen ist, entwickelt hat.

Farbe tritt als Fläche auf und gestaltet Landschaft. Formen werden aus der Farbe entwickelt. Die sichtbare Weit regt den Künstler an, im letztendlichen Einsatz der Farbe aber ist er frei. Und hier erweist sich Frank Hahn, ein "Farbenmensch", als welcher z.B. Kirchner einmal apostrophiert wurde, als äußerst sensibler und zugleich packender Kolorist, in dessen Liebe zur Natur auch die psychische und emotionale Befindlichkeit hereinspielt.

Poesie und Kalkulation, Improvisation und Denkschärfe, Ratio und Emotion schimmern im abgeschlossenen Werk durch viele Schichten, die dämpfen oder profilieren, die Fenster nach aussen und nach innen Öffnen, ohne dies zur metaphysisch überfrachteten "message" zu machen.

Diese Bilder sind einfach da, sind präsent, sind Ausschnitt, sind Fragment und doch Teil vom Ganzen, sind wohltuend uneitel und unprätentiös, unspektakulär und dabei doch nicht so schlicht, wie sie zu sein vorgeben.

Sie geben mancherlei Anstösse - zum Schauen, zum Denken, zum Fühlen. Sie machen in einer Zeit schneller Wahrnehmung und konstanter Ablenkung den Blick offen für die leisen, allgegenwörtigen Schönheiten und die Ästhetik der Bescheidenheit - wohltuend, an- und aufregend für all jene, für die "Big Brother" Voyeurismus und "extreme landscaping", in welcher Spielart auch immer, nicht der Weisheit letzter Schluß sind.

Machen Sie reichen Gebrauch von diesen Dimensionen des Schauens im Sinne des Wortes von Picasso, das mir sehr zutreffend erscheint für diese Präsentation der Werke von Frank Hahn:

"Ich bemühe mich immer, die Natur nicht aus den Augen zu verlieren. Mir geht es um eine tiefere Ähnlichkeit, die realer ist als die Realität

 

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